Download statt Druckfarben

30.07.2008

Interessante Einblicke in den Wandel des Hamburger Verlagshauses Gruner+Jahr vom klassischen Verlagswesen zum Medienhaus gewährte der Verlagsgeschäftsführer G+J Frauen-/Familie-/People Dr. Volker Breid den Medienmanagement-Studenten der Mediadesign Hochschule München. In seinem Vortrag stellte er die Zeitschriften Brigitte, Eltern, P.M., Gala, Emotion und Healthy Living näher vor.


Dr. Volker Breid.

„Die klassische Zeitschrift muss die Bedürfnisse neuer gesellschaftlicher Gruppen mit neuen Trends befriedigen“, so Breid. Eine dieser neuen Zielgruppen ist die der LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability). Der vorrangig weibliche Leser interessiert sich in hohem Maße für gesunde Ernährung und Sport in Verbindung mit Luxus. Noch nie sei das Bedürfnis nach körperlicher Attraktivität höher gewesen, versicherte der Verlagsgeschäftsführer. Vor allem an „Stars“ und „Sternchen“ orientiert sich die Leserin von heute in überhohem Maße. Während sich die Frau früher „nur“ für den neuesten Klatsch und Tratsch ihres Promilieblings interessiert hat, so ähnelt dieses Verhalten heute einem distanzlosen Personenkult. Bereits das Hochglanz-Magazin Gala bietet in seiner Printausgabe den „Look der Woche“ von Sienna Miller oder Catherine Heigl auch in bürgerlichen Preisklassen zum nachkaufen an.

Die virtuelle Schwester Gala.de geht mit seinem Starangebot in der „Starbase“ weit darüber hinaus: Hier wird der Prominente geradezu transparent. Von Archivbildern und Artikeln über Videos beim Kaffeetrinken oder Einkaufen – alles kann „sie“ über ihren Star erfahren und downloaden. Der Reiz für die Besucherin von Gala.de liegt natürlich im Gefühl, alles vom Nebentisch oder aus unmittelbarer Nähe beobachtet zu haben.

Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass die eigene Website die größte Konkurrenz gegenüber dem Printmedium werden kann. „Doch lassen sich solche Entwicklungen nicht verhindern, lieber kommt die Konkurrenz aus unseren eigenen Reihen als von anderen Medienanbietern“, so Dr. Volker Breid.

Neben der Gala liefern auch die Brigitte und Eltern eindrucksvolle Beispiele, dass sich das reine Verlagshaus Gruner+Jahr inzwischen zu einem Medienunternehmen entwickelt hat und Inhalte und Informationen attraktiv in jeder Form für den Rezipienten aufbereitet werden müssen. Eine besondere Herausforderung für das Marketing besteht darin, die jungen Mediennutzer durch crossmediale Kommunikation an die Marken zu binden aber auch treue Leserinnen zu halten. Denn die demographische Entwicklung zeigt, dass die sogenannten „Best Ager“ mit einem Lebensalter ab 50 Jahren sehr skeptisch und unerfahren mit den Neuen Medien umgehen und klassisch gesammelte Informationen komprimiert in einem Heft eher favorisieren.

Ein Lösungsansatz, beide Zielgruppen zu befriedigen, findet sich hierfür in der Trennung der Interessen zwischen jüngeren und älteren Frauen. Gezielte Erweiterungen innerhalb des Portfolios wie die Printausgaben von Brigitte Balance, Brigitte Woman, Gala Style oder Eltern Family, diverse Beilagen und Spezialausgaben bringen jede Interessensgruppe dazu, ihrer Marke treu zu bleiben. Für die junge Generation gibt es Online-Angebote wie beispielsweise das Brigitte Tageshoroskop aufs Handy, Hörbücher oder Schminkvideos zum Download.

Aber auch die Teenies, die offenbar noch mehr „erleben“ möchten, bietet Gruner+Jahr einiges. So entstand auf der Website des inzwischen eingestellten Magazins BYM die Bym-WG, eine virtuelle Wohngemeinschaft für Jugendliche, für die sich den Traum von der ersten Unabhängigkeit erfüllt.

Die Gruner+Jahr AG & Co KG hat erkannt, dass der moderne Leser in heutigen Zeiten auf den Kauf eines Heftes verzichtet, wenn für ihn nur zehn Seiten interessant sind. Deswegen liegt die Herausforderung für den Verlag in einer crossmedialen Kommunikation mit wenig Streuverlusten, so dass der Rezipient seine Informationen portionsgerecht in Schrift, Ton oder bewegtem Bild erhält. Der Onlineauftritt eines Magazins ist somit als Bereicherung und nicht als Konkurrenz zum Printmedium zu sehen.

Die Veränderungen vom klassischen Verlag zum Medienhaus spiegeln sich übrigens auch in den Anforderungen an die Mitarbeiter wieder. Neben einer medienorientierten Ausbildung sei für Verlagsgeschäftsführer Dr. Volker Breid auch eine Affinität zur Technik und zu Neuen Medien unerlässlich.


Die Studierenden des Fachbereiches Medienmanagement aus der MD.H München.

Autor: Radha Arnds