LWL Textilmuseum Bocholt

09.10.2013

Ob bunt oder unifarben, als Schutz oder Zierde, ob einfach oder speziell, wir tragen sie alle. Unsere Kleidung. Aber wie entsteht beispielsweise aus einer Pflanze unser neues Shirt?


LWL Textilmuseum Bocholt

Im Rahmen unserer Vorlesung Materialkunde haben wir genau das heraus gefunden. Aus der Baumwollpflanze wird die Faser gewonnen, die Faser wird zum Garn gesponnen und das Garn wird zu einer textilen Fläche verarbeitet. Um uns den Prozess der Gewinnung textiler Flächen genauer anzusehen, haben wir das LWL Textilmuseum in Bocholt besucht.

Der imposante Backsteinbau, der Geruch nach Öl, Kohle und harter Arbeit, die textilen Fasern, die in der Luft lagen, haben uns eine Vorstellung davon geben, was für tausende Männer und Frauen vor 100 Jahren Alltag war.

Im Vorraum der ehemaligen Webfabrik stand eine originale, von Hand betriebene Webmaschine, an der wir das Prinzip des Webens, die enorme Wucht mit der das „Schiffchen“ den Schussfaden durch die abwechselnd hebenden und senkenden Kettfäden schießt, beobachten können.

Im Laufe der Industrialisierung wurden dann die ursprünglich mit der Hand betriebenen Webmaschinen durch Maschinen ersetzt, welche mit Hilfe von Dampf betrieben wurden. Unter extremen Bedingungen wurde der Dampfkessel, welcher die Dampfmaschine und somit alle Webmaschinen antrieb, mit Kohle befeuert.

Knapp 30 historische Webmaschinen, die größten Teils heute noch für Besucher in Gang gesetzt werden, erwarteten uns im Kern der großen Webfabrik. Schritt für Schritt konnten wir hier sehen, wie aus dem Garn eine textile Fläche wird. Zuerst wurden die Garne aufgespult und in einem nächsten Schritt auf einer großen Walze vereint. Die fertiggestellten Kettbäume wurden dann an die einzelnen Webmaschinen verteilt. An diesen Webmaschinen wurden dann, durch das Zusammenspiel von Kett- und Schussfäden, textile Flächen mit verschiedensten Bindungen gewebt.

Es war beeindruckend zu sehen, was für enorme Mengen an Garn für ein Gewebe benötigt werden. Noch beeindruckender war aber der Gedanke daran, welche menschliche Konzentration es benötigte, die Produktion dieser Gewebe zu überwachen. Oft arbeiteten die Männer und Frauen zwölf Stunden am Tag, um die Familie zu ernähren. Ein Arbeiter war durchschnittlich für sechs Webmaschinen verantwortlich. Und ist nur ein Faden unbemerkt gerissen, war das Gewebe fehlerhaft und der entstandene Schaden wurde vom Lohn des entsprechenden Arbeiters abgezogen.

Im hinteren Teil der großen Fabrik wurden Gewebe mit Mustern hergestellt. Da die Industrie noch nicht so weit war, mussten die Garne in Handarbeit so sortiert werden, dass später wenn das Schiffchen mit dem Schussfaden durch die Kettfäden schoss, ein Muster entstand. Nach und nach wurden sogenannte „Lochkarten“ entwickelt, mit denen es möglich war, maschinell Muster zu weben. Diese Lochkarten bestimmten, wann die verschiedenen Kettfäden, in welcher Reihenfolge gehoben oder gesenkt wurden, sprich wann der Schuss- oder wann der Kettfaden zu sehen war.

Abschießend hatten wir die Möglichkeit, einen genauen Eindruck davon zu bekommen wie die Arbeiterfamilien zu dieser Zeit gelebt haben. Am Rande des großen Museumsgeländes standen die kleinen Häuschen, die der Arbeitgeber den Familien vermietete. Zwei Etagen, ein Schlafzimmer für die Eltern, eins für die Kinder, ein kleines für die heranwachsende Tochter und im unteren Geschoss direkt neben der Küche, welche der einzige beheizte Raum im Haus war, das Schlafzimmer für die Großeltern. Die Toilette befand sich außerhalb, neben dem kleinen Stall für die Tiere. Nach hinten erstreckt sich ein überschaubarer Garten mit bepflanzten Beeten.

Nach dieser Exkursion in die Welt der Textilweberei wissen wir heute nicht nur welche Unmengen an Garn und welche Techniken in unserer Bekleidung stecken, sondern auch wie hoch der Aufwand und die körperliche und geistige Arbeit ist, um eine solche textile Fläche herzustellen.