Corporate Games - Spielerisch Organizational Change managen!

01.02.2011

Angehende Medienmanager lernen bereits in den Grundlagen der Corporate Identity, dass erfolgreiches Implementieren von Veränderungsprozessen in Unternehmen eine große Herausforderung für jeden Manager darstellt. Oftmals begleitet von massiven Barrieren, oder zumindest einer eher passiven Haltung der Mitarbeiter, hängt ihr Erfolg davon ab, wie Unternehmen kommunizieren und Involvement schaffen. Hierbei können Corporate Games als Lernspiele positiven Impact erzielen, denn sie transportieren selbst komplexeste Inhalte und Themen mit Hilfe pädagogisch-didaktischer Methoden auf unterhaltsame und spielerische Art. Jüngste Studien belegen, dass mit ihrer Unterstützung nicht nur signifikante Steigerungen der Aktivität und Einbindung der Bezugsgruppen in das Thema, sondern auch positive Auswirkungen auf das Betriebsklima erzielt werden können. Daneben ist ihre digitale Nutzung auf allen mobilen Endgeräten der neuen Generation möglich, so dass spielerisches Lernen auch im Ausland und während der Geschäftsreise immer und überall einsetzbar ist.

Spielen, ein Phänomen

„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt,“ sagte schon Friedrich Schiller und beschrieb damit trefflich den Reiz, den Spiele auf die Gesellschaft seit jeher ausüben. Was als Kleinkind mit der Erkundung der Welt als „großer Spielplatz“ beginnt, bestimmt fortan eigentlich unser ganzes Leben, denn „Spielen“ ist eine Frage der Definition. Vom klassischen Brettspiel über den sportlichen Wettkampf, Vielfliegerprogramme und Treue-Punkte bis hin zum „Freunde Sammeln“ im Netz – wir können dem Spiel im Alltag fast nicht mehr ausweichen. Dabei ist Spielen mehr als nur ein Zeitvertreib. Im Spiel lernen wir unsere Umwelt und unsere Persönlichkeitsstruktur kennen, entwickeln soziale, mediale oder motorische Fähigkeiten.

Das Spiel bietet uns die Plattform, in einer Scheinwelt, frei von äußeren Zwecken und Regeln, verschiedene Lösungswege auszuprobieren. Die Motivation der Spieler, deren Ausdauer und Involvierung hängt dabei von eigenen Vorlieben und Gebrauchsmomenten, sogenannten Use Cases, ab. Ob analog oder digital, grundsätzlich unterscheiden wir Bewegungsspiele, Wettkampfspiele oder Ruhespiele. Bei den Bewegungsspielen geht es um Fitness, Motorik und Reaktionsschnelligkeit, Wettkampfspiele haben das sich Messen mit den Fähigkeiten Anderer zum Ziel. Ruhespiele setzen auf Schärfung der Beobachtung, Aufmerksamkeit und Wissenserweiterung.

Digitale Spielwiesen

Was vor rund 50 Jahren noch ausschließlich real, auf dem Rasen, am Küchentisch oder im Verein stattfand, hat sich spätestens seit dem Siegeszug von Nintendo massiv in die digitale Welt verlagert. Heute prägen Computer-, Online-, Konsolen-, oder Mobile-Games ähnlich wie die Massenmedien der Nachkriegszeit, unsere Alltagskultur. Dabei werden zumeist in der öffentlichen Debatte die negativen Wirkungen übermäßigen Spielkonsums wie Suchtpotenzial und Aggressionsneigung thematisiert. Dem Entgegen stehen aber deutlich belegbare positive Potenziale im Bereich der sogenannten Exergames (Exercise + Games) z.B. in der Gesundheitsförderung (Wii/Nintendo - Körperseinsatz) und im Bildungsbereich (Dr. Kawashimas Gehirnjogging - Training geistiger Fitness). Vor dem Hintergrund dieser eher lernbasierten Spielauffassung und der zunehmenden Verschmelzung von real und virtuell hat sich unter dem Gattungsbegriff „Serious Games“ (ernsthafte Spiele) seit 2002 eine ökonomisch wie auch wissenschaftlich ernstzunehmende Industrie entwickelt. Ursprünglich aus dem Bereich der Simulation stammend, findet sich die erste begriffliche Erwähnung 1971 im gleichnamigen Buch von Cark C. Abt, in dem der Autor den Einsatz von Spielen als Simulation und Wissensplattform im Bildungsbereich beschreibt.

Bereits im Jahre 2006 belief sich der Umsatz von Serious Games auf rund 20 Millionen US-Dollar (van Eck 2006). Die Anzahl der Forschungsvorhaben und Publikationen steigt stetig und Institute wie das Serious Games Institute und die Liemand Foundation unterstützen SG Projekte weltweit. In Deutschland fand im Rahmen der Cebit 2007 die erste Serious Games Conference mit der gleichzeitigen Verleihung des SG Awards statt. Seither hat sich das Feld kontinuierlich weiterentwickelt.

Game Based Learning

„Tell me and I`ll forget, show me and I`ll remember, involve me and I`ll understand!“ Diese Weisheit von Konfuzius beschreibt den besonderen Nutzen von Serious Games im Bildungs-und Trainingsbereich. Sie geben dem Spieler eine solide Grundlage für ein motivierendes Lernerlebnis. Ihr direkter Nutzen liegt in der Verbindung von Lerneffizienz, Transferleistung und Anwendbarkeit des Gelernten. Technische Innovationen ermöglichen immer realitätsnahere, aufwendigere Szenarien. Gleichzeitig unterstützt geschickte Dramaturgie den Lerneffekt durch Spass am Spiel. Bei der Entwicklung ernsthafter Spiele gehen also unterschiedliche Disziplinen wie E-Learning, Story-Telling und Gaming eine Symbiose ein, wird individuelles Lernen über Kompetenzerwerb und Anwendung anhaltend gefestigt. Der Spannungsbogen an Inhalten und Themen ist äußerst fassettenreich, sodass unterschiedliche Fähigkeiten, von kognitiven-, über soziale und persönlichkeitsbezogene Kompetenzen bis hin zu Medienkunde und Sensumotorik, effektiv geschult werden können.

Corporate Gaming

Ursprünglich im Militär und Health Care Sektor eingesetzt, werden digitale Lernspiele aufgrund der Varianz an Einsatzgebieten heute auch zunehmend in Unternehmen zu Ausbildungs- und Trainingszwecken, in der Team-, Organisations-, und Markenentwicklung, in der Prozesssteuerung und strategischen Szeanriotechnik angewandt. Hier können sie durch Überwindung lokaler und zeitlicher Einschränkungen, kostspielige Tranings- und Weiterbildungsprogramme effizient ersetzen. Interessanterweise ist ihre Anwendung auch problemlos generationsübergreifend möglich. War im Jahr 2003 der durchschnittliche Computerspieler 18 bis 23 Jahre alt, ist heute laut Studie des Spielesoftwareunternehmens Electronic Arts ein Drittel aller Spieler über 30 und fast jeder Zehnte älter als 50 Jahre alt. Corporate Games können auf allen funktionalen Ebenen von Unternehmen eingesetzt werden, ihr Erfolg wird über klare Zielsetzungen hinsichtlich des Kompetenzerwerbs gesteuert.

Playing On The Job

Besonders im Fokus stehen aktuell Change Management Prozesse, die anhand von digitalen Unternehmensspielen Veränderungen auf Organisations-, Marken- und Marketingebene abbilden können. So kann z.B. ein Neueinsteiger im „Playing On The Job-Game“, Kompetenzen im Bereich Organisationsaufbau, Unternehmensgeschichte/ Philosophie, Produkte/Services, Vertriebsstrukturen und interne Netzwerke erwerben.

Die Führungskraft kann im „Interaktiven Brand-Poker“ Insights über Veränderungen in der Markenentwicklung und Steuerung im Team auf internationaler Ebene gewinnen. Über einfache digitale Brettspiele können neue und hochkomplexe Prozesse und Produkte an Sales - Professionals im Unternehmen weitergegeben werden.


Bury the old myth - Novo Nordisk Board Game

Gleichzeitig kann Kompetenz und Wissensstand in einzelnen Bereichen spielerisch abgefragt, weiße Flecken aufgedeckt und Lücken im System geschlossen werden.

Staatliche Institutionen und NGO`s nutzen auch bereits die Möglichkeiten von Corporate Games, vornehmlich um die Öffentlichkeit für ein Thema oder einen Sachverhalt zu sensibilisieren. Amnesty International hat z.B. das Thema „Umgang mit Menschenrechten“ über eine interaktive Weltkarte spielerisch übersetzt.


Interaktive Weltkarte

Im International Office in Kopenhagen kann man auf einem riesigen Touch-Screen alle weltweit laufenden AI-Projekte mit sämtlichen Details wie Status Quo Berichten und Hintergrundinformationen zu Bevölkerungsstand, Rechtssituation im Land etc., einsehen. Mittels 3D Technologie kann sich der User so einen Überblick per Text, Bild, Video oder Spiel verschaffen und sich interaktiv einbringen.

Soziale Netzwerke und Mobilität

Durch die vermehrte Nutzung sozialer Netzwerke setzen Unternehmen auch zunehmend alternative Wege ein, um den aktiven Austausch der Mitarbeiter über Corporate Games zu unterstützen. Was „Brain Buddies“ bei Facebook innerhalb des Freundeskreises leistet, kann auch ein interaktives Unternehmensspiel auf Foren, im Unternehmensblog oder im firmeneigenen Intranet anwenden. Die neue Generation der Smartphones unterstützt diese Entwicklung durch die Befreiung des Menschen von räumlichen und zeitlichen Restriktionen. Ausgestattet mit mobilen Internetschnittstellen, Kamera und GPS ermöglicht uns das Fortschreiten der Technologie den Zugriff auf Netz, Bewegtbild und Spiel im direkten Bezug zur tatsächlichen Umgebung (Augmented Reality). So können Online-Spiele im Unternehmen faktische und psychologische Grenzen überwinden und in eine ganz neue Dimension des betriebsinternen Lernens eintreten.

Was Peter M. Senge 1990 in „The Fifth Discipline“ als Vision einer selbstlernenden Organisation darstellte, ist heute nicht zuletzt mit Hilfe von Corporate Games Realität, wenn nicht sogar praktische Notwendigkeit im Kampf um Wettbewerbsvorteile geworden.

Quellen:
  • Abt, Cark C. „Ernste Spiele: Lernen durch gespielte Wirklichkeit.“ Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1971.
  • Van Eck, Richard. „Digital game-based learning: It`s not just the digital actives who are restless.“ EDUCAUSEreview (2006) Senge, Peter M. „The Fifth Discipline: The Art and Practise of the Learning Organization“, Random House Business Books 1990.
Beispiele:

http://www.globalconflicts.eu/
http://www.hq.de/fileadmin/user upload/motivierte lerner mit spass am spiel.pdf
http://www.checkpoint-elarning.de/article/5425.html. 05 2008.
http://www.seriousgames.dk
http://www.businessgameshop.co.uk

Weiterführende Literatur:
  • Aufenanger, Stefan. «Edutainment.» Grundbegriffe Medienpädagogik. Hrsg. v. Jürgen Hüther und Bernd Schorb. München: kopaed, 2005. 60–73.
  • Bopp, Matthias. Immersive Didaktik: Verdeckte Lernhilfen und Framingprozesse in Computerspielen. (2005): http://www.soz.uni-frankfurt.de/K.G/B2_2005_Bopp.pdf (29.07.2008).
  • Egenfeldt-Nielsen, Simon. «Overview of research on the educational use of video games.» Digital Kompetanse 3.1 (2006): 184–213.
  • Fritz, Jürgen. «Zwischen Frust und Flow. Vielfältige Emotionen begleiten das Spielen am Computer.» Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Hrsg. v. Jürgen Fritz und Wolfgang Fehr. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2003: http://www.bpb.de/ themen/8GADVU,0,0,Zwischen_Frust_und_Flow.html (30.07.08).
  • Michael, David; Chen, Sande. Serious Games: Games That Educate, Train, and Inform. Boston: Thomson Course Technology, 2006.
  • Prensky, Marc. Digital Game-Based Learning. St. Paul: Paragon House, 2001a.
  • Prensky, Marc. «Digital Natives, digital Immigrants» On the Horizon 9.5 (2001b): 1–6.
  • Ritterfeld, Ute. Serious games: Nur Qualität macht Spass. (2008): http://www.checkpoint-elearning.de/article/5425.html (12.07.08).
  • Ritterfeld, Ute (im Druck): Serious Games: Mechanisms and Effects. New York: Routledge
  • Sawyer, Ben. 10 Myths about Serious Games. (2007): http://www.escapistmagazine.com/articles/view/issues/issue_121/2575-Ten-Myths-About-Serious-Games (10.06.08).
  • Sawyer, Ben. The State of Serious Games. (2005): http://www.gamasutra.com/features/20051024/sawyer_01.shtml (01.07.08).
  • Vollbrecht, Ralf. «Computerspiele als medienpädagogische Herausforderung.» Computerspiele(r) verstehen: Zugänge zu virtuellen Spielwelten für Eltern und Pädagogen. Hrsg. v. Jürgen Fritz. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2008. 236–262.
  • Zyda, Michael. «From Visual Simulation to Virtual Reality to Games.» Computer 38.9 (2005): 25–32.