Alles Lüge? Die journalistische Berichterstattung im Spannungsfeld zwischen Faktenorientierung, Aufmerksamkeitsgenerierung und kommerziellen Interessen

03.04.2018

Vortrag bei der Graduierungsfeier der Mediadesign Hochschule in Von Prof. Dr. Christian Schicha (Universität Erlangen-Nürnberg)  

Alles Lüge? Die journalistische Berichterstattung im Spannungsfeld zwischen Faktenorientierung, Aufmerksamkeitsgenerierung und kommerziellen Interessen
Prof. Christian Schicha - Universität Erlangen-Nürnberg

Die Lüge Wer einmal lügt, dem glaubt, man nicht. Dieser Spruch zeigt die Dimension von Äußerungen, die aufgrund eines Täuschungsverdachtes mit negativen Konnotationen belegt sind. Die Lüge gilt als Regelverstoß und wird mit Niedertracht oder Verrat assoziiert. Es handelt sich um ein Fehlverhalten, das sanktioniert werden sollte. Ehrlichkeit hingegen gilt als Tugend, die angestrebt werden sollte. Dabei kann es gute Gründe geben, zu lügen. Wer einen zu Unrecht Verfolgten in seinem Haus versteckt, und einer illegitimen Staatsmacht gegenüber negiert, dass dieser dort Schutz erhält, lügt zwar. Dennoch kann diese Falschaussage moralisch geboten sein, sofern etwa die Rettung eines unschuldig verfolgten Juden vor der Gestapo erfolgt. Dann wird auch von einer Notlüge gesprochen (vgl. Zehnpfennig 2017). Es gibt auch Grenzfälle, die eine Lüge rechtfertigen können. Wenn eine Frau bei einem Vorstellungsgespräch gefragt wird, ob sie schwanger ist oder einen Kinderwunsch hat, darf sie dies verneinen, selbst wenn dies nicht stimmt. Es geht hierbei um die Privatsphäre der Person, die aufgrund ihres Geschlechtes nicht diskriminiert werden darf: „Die Lüge zum Schutz der Privatsphäre setzt woraus, dass andere kein Recht haben, den fraglichen Sachverhalt zu erfahren. Das ist immer dann der Fall, wenn die anderen von diesem Sachverhalt nicht betroffen sind.“ (Dietz 2003, S. 143). In derartigen Fällen ist die Lüge sogar aus einer juristischen Perspektive erlaubt. Wer seinen Partner anlügt, indem er ihm falsche Komplimente macht, erzählt zwar die Unwahrheit. Gleichwohl kann dieses Verhalten aber dazu beitragen, dass die Beziehung stabil bleibt. Wenn es ausschließlich um Höflichkeit und Rücksichtnahme handelt und niemand zu Schaden kommt, kann eine wohlwollende Lüge durchaus legitimiert sein. Insgesamt gilt hingegen, dass in Regel im sozialen Umgang Ehrlichkeit erwartet wird, um die Erwartung nicht zu enttäuschen, dass man sich auf andere Menschen verlassen kann. Dies gilt insbesondere für Berufsgruppen, die wie Ärzte, Richter und Polizisten eine große Verantwortung tragen. Von ihnen wird erwartet, dass sie die Wahrheit sagen, um Vertrauen in den Rechtsstaat zu erhalten (vgl. Dietz 2003). Normative Ansprüche an die Medienberichterstattung Gleiches gilt auch für die Medienberichterstatter. Von ihnen wird ebenfalls erwartet, dass sie wahrheitsgemäß berichten, gründlich recherchieren, ihre Quellen sorgfältig prüfen und gesellschaftlich relevante Sachverhalte aufzeigen, einordnen und angemessen bewerten (vgl. Kuhla 2017).Sie sollen unabhängig berichten, ihrer Kontroll- und Kritikfunktion angemessen nachkommen und Distanz gegenüber der Politik und Wirtschaft wahren. Sie sollten der Wahrheit verpflichtet sein und sollten die möglichen Folgen ihrer Berichte im Vorfeld reflektieren. Diese Leitlinien gelten primär für den investigativen Qualitätsjournalismus. Der Sport-und Boulevardjournalismus hingegen soll primär unterhalten und folgt weniger hohen Ansprüchen. Aber auch hier gilt, dass mit lauteren Methoden gearbeitet werden sollte. Insgesamt folgt der Journalismus in Deutschland, sofern von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern einmal abgesehen wird, dem Markt- und nicht dem Integrationsmodell. Medienanbieter müssen sich in der Regel je nach Medium durch Klicks, Einschaltquoten oder Verkaufszahlen finanzieren. Die öffentliche Resonanz auf die Medieninhalte bestimmt die Werbepreise und den daraus resultierenden Erfolg oder Misserfolg der Anbieter. Insofern besteht ihr Interesse daran, die Inhalte so zu gestalten, dass ein mögliches breites Publikum erreicht wird, um die entsprechenden Medienprodukte zu verkaufen. Diese strukturellen Bedingungen sorgen jedoch nicht dafür, dass die Verbreitung von „Fake News“ automatisch zunehmen oder gar legitimiert werden können. Vielmehr sollten Medienbetriebe ein Interesse daran haben, dass ihnen geglaubt wird. Der Warencharakter der Nachricht sollte nicht dazu führen, dass die Maxime der Gewinnorientierung der Glaubwürdigkeit schadet. Die wichtigste Ressource von Medien liegt im öffentlichen Vertrauen. Medienskandale und Lügengeschichte führen zu einem Reputationsverlust des betroffenen Mediums und führen auch langfristig zu einem negativen Image.   Befunde zu den „Fake News“ „Was wir von der Gesellschaft und ihrer Welt wissen, wissen wir fast ausschließlich durch die Massenmedien. Gleichzeitig haben wir jedoch den Verdacht, dass dieses Wissen manipuliert wird. Zumindest kommt es extrem selektiv zustande, gesteuert zum Beispiel durch wenige Faktoren, die den Nachrichtenwert von Informationen bestimmen oder Unterhaltungssendungen attraktiv erscheinen lassen. Aber dies Gegenwissen wirkt sich nicht aus. Die Realität ist so hinzunehmen, wie sie von den Massenmedien präsentiert und rekursiv, auf sich selbst aufbauend, reproduziert wird.“ (Luhmann 1996). Dieses mehr als 20 Jahre alte Zitat des Soziologen Niklas Luhmann drückt bereits ein grundlegendes Misstrauen gegenüber Medienmeldungen aus. Das Statement skizziert grundlegende Selektionskriterien, die bei der Auswahl von Nachrichten relevant sind. Journalistische Berichterstatter werden aktuell in Deutschland mit Begriffen wie „Lücken- oder „Systempresse“ assoziiert. Ihre Arbeit wird als „Pinocciopresse“ verunglimpft. Sie gelten als „Staats-, System- und Mainstreammedien“ (vgl. Lilienthal/Neverla 2017). Es wird weiterhin der Vorwurf artikuliert, dass primär über globale Katastrophen und Kriegen berichtet wird, während die Alltagsprobleme der Bürger in der Berichterstattung häufig nicht berücksichtigt werden. Zahlreiche weitere Institutionen neben den Medien haben auch in Deutschland in den letzten Jahren ebenfalls an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Führungspersönlichkeiten aus der Politik, den Banken, dem Sport und den Kirchen haben durch Skandale zu einem quasi kollektiven Reputationsverlust der entsprechenden Institutionen beigetragen (vgl. Kepplinger 2012, Kuhla 2017). Und auch die Medien geraten immer wieder in die öffentliche Kritik. Der Boulevardpresse wird vorgeworfen, die Persönlichkeitsrechte von Prominenten nicht zu achten. Der Reise- und Motorjournalismus muss sich gegen Vorwürfe wehren, unkritisch und zu wohlwollend über Urlaubsorte und Fahrzeuge zu berichten. Vorwürfe der PR und Schleichwerbung werden in diesem Zusammenhang ebenfalls geäußert. Gegenüber der Kriegs- und Krisenberichterstattung wird der Vorwurf geäußert, dass die eingebetteten Reporter ausschließlich positiv über die Truppen berichten, die sie begleiten und beschützen. Das erste Opfern des Krieges ist die Wahrheit ist demzufolge eine häufig geäußerte Kritik, die an die Kriegsberichterstatter gerichtet wird. Konkrete Fehler im Rahmen der Ukraineberichterstattung etwa mussten unlängst auch öffentlich-rechtliche TV-Anbieter einräumen (vgl. Krüger 2016). Insofern gibt es immer wieder berechtige Fragen hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Medien gegenüber bestimmten journalistischen Branchen und aufgrund von konkreten Einzelfällen, in denen die Berichterstattung nicht korrekt war.

Eine Studie der Universität Leipzig kam zu folgendem Befund. Es „wurde den Probanden der Mitte-Studie 2016 die Frage vorgelegt, ob sie von der Lügenpresse sprechen würden, wenn sie an die Medienlandschaft in Deutschland denken. 14% bejahten das. 41,2% positionieren sich gegen diesen Begriff: In Westdeutschland liegt die Ablehnung dieser Aussage bei 43,2% und damit um 10% höher als in Ostdeutschland (33,6%). In ganz Deutschland distanzierten sich also weniger als die Hälfte der Befragten von dem Begriff, beinahe die Hälfte signalisierte mit der Antwortkategorie ‚teils/teils‘ ihre Unentschiedenheit.“ (Decker u.a. 2016, S. 62).

In weiteren Befragungen vertreten rund 20% der Deutschen die Auffassung, dass der Begriff der „Lügenpresse“ gerechtfertigt ist. 72 % der Befragten halten den Begriff für nicht zutreffend. Knapp 30 % geben an, dass ihr Vertrauen in die Medien in den letzten Jahren gesunken ist (vgl. Eilenberger 2017). Seit Oktober 2014 ist der Ruf „Lügenpresse“ in Deutschland auf den Pegidademonstrationen u.a. in Dresden zu hören. Anfang 2015 wurde der Begriff zum Unwort des Jahres erklärt, da er bereits durch die Nationssozialisten und die RAF-Terroristen verwendet worden ist (vgl. Probst 2017). Präsident Trump beschimpft die amerikanischen Medien seit Beginn seiner Amtszeit verbal oder per Twitter regelmäßig als „Fake News“ (vgl. Krienke 2017). „Trumps Twitter-Meldungen stellen Zusammenhänge derart verkürzt, verzerrt und um entscheidende Fakten beraubt dar, dass der Mediennutzer bei der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes aus wenig Nennenswertes stößt. Hier wird die politische Lüge nicht um eines höheren Gutes willen und mit größerem Verantwortungsbewusstsein eingesetzt, sondern aus purem Eigeninteresse, ja aus Eigenliebe. Sie dient nicht dem Wohl des Gemeinwesens, sondern beschädigt die auf Vertrauen gegründeten Demokratie.“ (Zehnpfennig 2017, S. 19).   Spektrum, Reichweite und Typen von „Fake-News“ Beim Blick auf das Phänomen von „Fake-News“ fällt auch, dass dieser Begriff in ganz unterschiedlichen Kontexten und Zusammenhängen verwendet wird. Das Spekrum reicht von Spaßmeldungen, über frei erfundene Inhalte, falsche Tatsachenbehauptungen, Übertreibungen, Teilwahrheiten, übler Nachrede, Gerüchten bis hin zum Mobbing (vgl. Martens 2017, Selg 2017). Es werden dann falsche Zahlen, Daten und Fakten präsentiert, um Menschen zu verängstigen, zu diskreditieren, radikale Ansichten zu vertreten und damit die öffentliche Ordnung zu stören. Als typische Fake News Genres werden aber auch die politische Propaganda, der Boulevard-, Reise- und Technikjournalismus klassifiziert. Als „Fake News“ werden zudem Meldungen bezeichnet, die bewusst aus dem Zusammenhang gerissen werden. Sie stellen dann eine gezielte Täuschung dar und verfolgen das Ziel der Desinformation (vgl. Wolf/Dönch 2017). Eine besonders große öffentliche Resonanz erhalten sogenannte Verschwörungstheorien. Dabei handelt es sich u.a. um Beobachtungen, die nicht erklärbar sind sowie unbegründete Vermutungen, Gerüchte und Mutmaßungen. So wird z.B. immer wieder behauptet, dass die Mondlandung gar nicht stattgefunden hat, der amerikanische Präsident Kennedy von der CIA oder der Mafia umgebracht worden sind oder die Bush-Regierung ist für die Terroranschläge am 11.9.2001 verantwortlich gewesen ist (vgl. Harder 2010). Sängerlaub (2017) zufolge sind Fake-News die Verbreitung von falschen und irreführenden Desinformationen, um Personen, Organisationen oder Institutionen zu schaden. Für ihn gehören Desinformationen dazu, die eine gezielte Verbreitung von falschen oder irreführenden Informationen enthalten, um einer Person oder Instititution zu schaden. Die Dekontextualisierung oder bewusst falsche Interpretation wahrer Informationen wird hierbei ebenso eingeschlossen, wie die Manipulation eigentlich wahrer Informationen in Form von Bildern oder völlig frei erfundenen Inhalten. Keine Fake-News sind für Sängerlaub die Überspitzung von politischen Inhalten etwa im Rahmen der Satire, um Gesellschaftskritik zu üben. Auch nicht intendierte Falschinformationen durch journalistische Fehlleistungen, die bewusste Überspitzung von Headlines und Teasern zur Gewinnung von Lesern und die versehentlich falsch publizierte Meldung, die dann korrigiert wird, fällt nicht in das Spektrum von Fake-News. Hierzu lassen sich exemplarisch folgende Beispiele anführen:

  • Zu den frei erfundenen Inhalten gehört z.B. Falschmeldung, dass im Keller einer Pizzeria in Washington ein Kinderpornoring betrieben wird, in dem auch Hillary Clinton verwickelt ist (vgl. Kuhla 2017).
  • Der manipulierte Inhalt, bei dem wahre Informationen absichtlich durch Bildbearbeitung oder die Verwendung falscher Quellen verändert werden, gehören u.a. visuelle Abbildungen, in den Personen eingefügt oder rausgenommen worden sind, sowie Farbveränderungen (vgl. Becker von Sothen 2013). Darauf wird im weiteren Verlaufes des Textes noch eingegangen.
  • Der falsch kontextualisierte Inhalt tangiert eigentlich korrekte Informationen, die bewusst falsch interpretiert werden. Hierunter fällt zum Beispiel das Selfie des syrischen Geflüchteten Anis Modamani zusammen mit Angela Merkel, der später zu Unrecht beschuldigt wurde, einer der belgischen Attentäter der Anschläge auf den Brüsseler Flughafen zu sein (vgl. Reinsch 2017).

Fälschungen und frei erfundene Berichte Die solide Recherche unter Berücksichtigung von mindestens zwei unabhängigen Quellen gilt als Basis jeder seriösen Berichterstattung. Dennoch werden frei erfundene und schlecht recherchierte Berichte immer wieder verbreitet. Diese Entwicklung dokumentiert auch das eklatante Versagen der journalistischen Sorgfaltspflicht.

  • „Jimmy ist acht Jahre alt und ein Heroinabhängiger der dritten Generation, ein frühreifer kleiner Junge mit rotblondem Haar, samtig braunen Augen und Nadeleinstichen, die wie Sommersprossen die babyzarte Haut seiner dünnen braunen Arme überziehen.“ So beginnt eine Reportage von Janet Cooke, die am 28. September 1980 in der „Washington Post“ erschien und die Zeitung damit in eine schwere Glaubwürdigkeitskrise stürzte. Denn das drogensüchtige Kind, dessen vermeintliches Schicksal eine Welle des Mitleids auslöste, gab es in Wirklichkeit gar nicht. Erst als Cooke für ihre Story den renommierten Pulitzerpreis erhalten sollte, brach ihr Lügengebilde zusammen. Die Selbstkontrolle der "Washington Post", eines der Bollwerke des investigativen Journalismus in den USA, hatte in spektakulärer Weise versagt. Die Story war frei erfunden. (vgl. Kolbe 2017).
  • Am 28. April 1983 erschütterte die Veröffentlichung der gefälschten Hitlertagebücher die Glaubwürdigkeit des „Stern“. Es stellte sich heraus, dass die Kontrollmechanismen bei der Wochenzeitung massiv versagt hatten. Die vorgeblichen Tagebücher waren von Konrad Kujau gefälscht worden. Als das Bundeskriminalamt den Schwindel aufdeckte, hatte der „Stern“ bereits 62 Bände für 9,3 Millionen DM gekauft. Auch Medien wie das US-Magazin „Newsweek“ berichteten 1983 in großer Aufmachung über die angeblichen Hitler-Tagebücher. Das Papier, auf dem Hitler angeblich seine Aufzeichnungen aufgeschrieben haben soll, wurde mit den Weißmachern versetzt, die erst nach 1950 in der Papierherstellung zum Einsatz gekommen sind. Teile der Bücher wurden aus historischen Dokumenten abgeschrieben (vgl. Seufert 2008, Heidemann 2009).
  • Ein dramatischer Todesfall führte zu einer falschen Berichterstattung, die sowohl von Boulevard-, als auch von Qualitätsmedien geführt wurde. Ein sechsjähriger Junge, dessen Vater Iraker war, kam 1997 in einem Schwimmbad in Sebnitz ums Leben. Die Mutter ging von einem rechtsradikal motivierten Verbrechen aus. Zahlreiche Medien berichteten über die vermeintliche Straftat. Die Schlagzeilen lauteten „Neo-Nazis ertränkten Kind“ in der Bild-Zeitung, „Badeunfall erweist sich als rassistischer Mord (taz) und „Ein Kind ertränkt wie eine Katze“ (SZ). Es stellte sich bei näherer Prüfung jedoch heraus, dass es sich um einen Badeunfall ohne Fremdeinwirkung handelte. Offensichtlich haben hier mehrere Medien voneinander abgeschrieben, ohne den Sachverhalt selbst zu recherchieren (Jogschies 2001).
  • Dass die Technik oft Tücken hat, erlebten Redakteure der Stuttgarter Zeitung im Januar 2012. Auf der Homepage der deutschen Zeitung erschien eine Meldung mit der Überschrift „Merkel tritt zurück“. Eine dreiviertel Stunde lang war die Falschmeldung auf der Website zu lesen. Später entschuldigte sich die Redaktion bei ihren Lesern: „Dieser Text entbehrt jeder sachlichen Grundlage“, hieß es in einer Stellungnahme auf stuttgarter-zeitung.de. Der Fehler sei passiert, weil die „Stuttgarter Zeitung“ auf ein neues Redaktionssystem umgestellt werde, erklärte Online-Ressortleiter Tobias Köhler (vgl. o.V. 2012).
  • Der TV-Produzent Michael Born fälschte zwischen 1990 und 1995 insgesamt 32 Fernsehbeiträge und verkaufte sie u.a. an „Stern-TV“ und „Spiegel-TV“ (RTL), „Frontal“ (ZDF) und „Zak“ (ARD). Er verdiente mit absurden Berichten über Katzenjäger, Krötendrogen und den Ku-Klux-Klan in Deutschland 350.000 DM. Born wurde zu vier Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Dieses Ereignis dokumentiert zum einen die kriminelle Energie von Born und zum anderen die fehlende Gegenrecherche der beteiligten Redaktionen (vgl. Born 1997, Bickenbach 2005, Thomsen 2005, Pritzl 2006).
  • Der Schweizer Journalist Tom Kummer arbeitete ab 1993 als Hollywood-Korrespondent u.a. für die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ). Zahlreiche seiner gefälschten Interviews mit prominenten Filmstars wie Brad Pitt, Pamela Anderson und Sharan Stone wurden bis 1999 im Magazin der SZ abgedruckt (vgl. Bickenbach 2005, Thomsen 2005, Kummer 2009).

Dass Medien auch psychische Gewalt auf Opfer der Berichterstattung ausüben können, dokumentieren zahlreiche Beispiele, bei denen die „Bild“eine negative Rolle gespielt hat. Dieses Blatt steht nach wie vor für einen gezielten Kampagnenjournalismus und sorgt auch dafür, dass Personen systematisch persönlich diffamiert und diskreditiert werden (vgl. Boenisch 2007; Kepplinger 2012). Provokation und Tabuverletzung stellen dabei zentrale Strategien dar, um die Aufmerksamkeit der Leser zu erreichen. Dabei kann die Grenze zur Lüge, Fälschung und Manipulation durchaus überschritten werden. Es erfolgt eine klare, aber nicht zwingend berechtigte Zuordnung von Gut und Böse. Inhalte werden übertrieben und aufgebauscht. Wenn prominente Persönlichkeiten etwa beschuldigt werden, andere Personen sexuell missbraucht zu haben, dominiert dieser Verdacht große Teile der Medienberichterstattung. Die öffentliche Empörung ist groß, und sogenannte Experten äußern medienwirksam ihre Beurteilung, noch bevor der juristische Prozess überhaupt begonnen hat oder ein Urteil gesprochen worden ist.

  • Der Moderator Andreas Türck wurde 2004 verdächtigt, eine Vergewaltigung verübt zu haben. „Bild“ startete eine Kampagne gegen ihn. Überschriften wie „Die Sex-Akte Türck“ und „Hier steht Andreas Türck ein letztes Mal im Licht“ trugen dazu bei, dass der zu Unrecht erhobene Vergewaltigungsvorwurf publizistisch ausgeschlachtet wurde. Da sich die Vorwürfe nicht erhärtet haben, wurde er freigesprochen. Dennoch war seine TV-Karriere durch den Reputationsverlust aufgrund der falschen Verdächtigung für Jahre zerstört (vgl. Schertz & Schuler 2007).
  • Im Fall des Wettermoderators Jörg Kachelmann, der zunächst einer Vergewaltigung beschuldigt und 2011 freigesprochen wurde, ging eine lange Mediendebatte voraus. Während die Wochenzeitung „Die Zeit“ und „Der Spiegel“ den Angeklagten publizistisch unterstützten, wurden in der „Bunte“ und in der „Bild“ erhebliche Vorwürfe ihm gegenüber artikuliert (vgl. Kepplinger 2012).
  • Bei der Berichterstattung über den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff stellte sich heraus, dass die über die Medien gegen ihn erhobenen Vorwürfe der unzulässigen Vorteilsnahme seit 2011 haltlos waren, da er den entsprechenden Prozess gewonnen hat. (vgl. Kuhla 2017).

Fake-Bilder Bilder besitzen als visuelle Informationsträger von Sachverhalten ein hohes Wirkungspotenzial. Ihre suggestive Kraft kann dazu führen, dass eine kritische Distanz gegenüber den angebotenen Motiven verloren geht. Das gilt vor allem dann, wenn den Rezipienten die Kompetenz fehlt, die visuelle Logik von Bildbearbeitungen zu entschlüsseln und dadurch die inszenierende und manipulierende Wirkungskraft als solche nicht zu erkennen. Es liegt zunächst nahe, der Fotografie eine höhere Objektivität zuzuschreiben, als der Malerei. Die Kamera leistet eine angebliche Übertragung der Realität des Objektes mit Hilfe des Objektivs, so dass schließlich ein fertiges Foto entsteht. Bilder bieten dennoch kein authentisches Abbild der Welt. Schon die Auswahl des Motivs, die Bildgestaltung und der gewählte Bildausschnitt hängen von den jeweils subjektiven Präferenzen, Interessen und Sachzwängen des Fotografen ab. Ein Bildausschnitt wird aus einem breiten Zusammenhang gerissen. Die Perspektive der Aufnahme, der Blickwinkel und der Zeitpunkt spielen eine wichtige Rolle bei der Auswahl. Auch die Dreidimensionalität des realen Gegenstandes kann durch die Fotoaufnahme nicht abgebildet werden. Gleichwohl kann ggf. von einer Ähnlichkeit zwischen dem Bild und dem abgebildeten Objekt gesprochen werden. Die Fotoaufnahme verweist auf ein Referenzobjekt, das eine spezifische Bedeutung besitzt. Im Fall sogenannter realistischer Bilder kann es also einen unmittelbaren Wirklichkeitsbezug geben, der das Aussehen des Gegenstandes in einer ähnlichen Form einfängt. (vgl. Lobinger 2012). Das Misstrauen gegenüber dem Wahrheitsgehalt der Fotografie hat eine lange Tradition. Bilder in totalitären Regimen wurden bereits seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts regelmäßig gefälscht. Politische Gegner der amtierenden Machthaber wurden dabei häufig wegretuschiert (vgl. Jaubert 1989, Miener 2004). Unter einer Bildmanipulation wird in diesem Kontext eine Form der Beeinflussung verstanden, bei der der Beeinflussende andere Personen zu seinem eigenen Vorteil manipuliert und Einflussmethoden wählt, die für andere nicht durchschaubar sind. Sie ist also eine Verhaltensbeeinflussung zu fremdem Nutzen. Die Manipulation von Bildmaterial bedeutet die mit einer Täuschungsabsicht verbundene intentionale Veränderung von Informationen durch Auswahl, Zusätze oder Auslassungen. Aus einer journalistischen Perspektive lassen sich kommerzielle Interessen, persönliche Profilierung, die Erfüllung von (scheinbaren) Rezeptionsbedürfnissen sowie die mangelnde oder oberflächliche Recherche aus Aktualitätsdruck benennen, die dazu führen können, Bilder zu manipulieren. Insgesamt lassen sich folgende Techniken aufzeigen, die Bildmanipulationen ermöglichen:

  • Löschen bzw. Einfügen von Bildelementen,
  • die strategische Wahl der Perspektive des Aufnahmestandpunktes,
  • „Optimierung“ durch Helligkeit, Schärfe, Kontrast,
  • Fotoverwendung aus anderen Kontexten,
  • falsche Beschriftung,
  • Ästhetisierung,
  • Fotokombinationen,
  • Fotomontage,
  • gestellte Aufnahmen,
  • Retusche,
  • digitale Bearbeitung.

Kombinationen dieser Punkte sind natürlich möglich. Fotos werden schließlich ebenso wie Texte redigiert. Häufig gilt, dass Bildmanipulationen nur durch eine Gegenüberstellung von Original und Kopie erkennbar sind. (vgl. Schreitmüller 2005, Becker von Sothen 2013). Dabeigilt: Bildmotive werden durch Informanten, Rechercheure, Reporter, Fotografen, Journalisten, Agenturen, Cutter, Redakteure und Verleger ausgewählt und ggf. bearbeitet. Diese bringen ihre Interessen und Sichtweisen ein und können dadurch ein Bild sukzessiv in der Form verändern, dass der Betrachter manipuliert wird. Bildmanipulationen sollen für den Leser erkennbar sein. Die Selbstverpflichtung zur Kennzeichnung durch das Wort "Montage” oder ein Zeichen, welches den Buchstaben "M” enthält, ist bereits gängige Praxis. Insgesamt sind die Grenzen zwischen Retusche und unerlaubter Bearbeitung schwer zu ziehen, und es wird nicht immer benannt, welche konkreten Ergänzungen bei visuellen Motiven vorgenommen worden sind. Die Veränderung des Bildausschnittes oder die Verdunklung des Fotos gelten nicht als Montage, und die Verknüpfung von unterschiedlichen Motiven zu einem Bild wird vielfach nicht kenntlich gemacht. Insofern sind weitere Ausdifferenzierungen von Montagehinweisen erforderlich, um dieses Problem zu lösen (vgl. Schicha 2007). Zur Verbreitung von Fake-News über das Internet „Fake News können in allen Medienangeboten als Text, Ton, Bild bzw. Video auftreten. Besonders prädestiniert für ihre Verbreitung ist das Internet mit seinen vielfältigen Informations- und Kommunikationskanälen.“ (Selg 2017). Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einem ist der Informationsaustausch in Netz quantitativ deutlich höher, als über die konventionellen Rundfunk- und Printkanäle. Darüber hinaus sind im Internet nehmen den klassischen journalistischen Gatekeepern auch zahlreiche weitere Akteure in Blogs oder sozialen Netzwerken aktiv, die unter falschen Identitäten publizistisch tätig sind. In vielen Fällen kann nicht überprüft werden, von wem welche Inhalte stammen und welche Absichten damit verfolgt werden. Ein klassisches Impressum, das die Verantwortlichkeit für Veröffentlichungen transparent macht, ist vielfach nicht mehr vorhanden. Darüber hinaus ist es sehr einfach und kostengünstig, Inhalte aller Art über die zahlreichen Kanäle der Neuen Medien unabhängig vom Wahrheitsgehalt zu verbreiten. Die traditionellen Medienselbstkontrollinstanzen wie der Deutsche Presserat (2015) sind schon aufgrund der Vielzahl der Falschmeldungen nicht in der Lage, diese entsprechend zu dokumentieren und zu bewerten. Hinzu kommt eine hohe Affinität der Mediennutzer, gerade die Nachrichten besonders aufmerksam, die besonders überraschend spannend, skurril, unterhaltsam oder provokativ sind. Hierbei handelt es sich aber gerade um Meldungen, die z.T. frei erfunden sind. Sängerlaub (2007) zeigt eine Reihe von Gründen auf, die dazu führen, dass Fake-News im Netz quantitativ immer häufiger auftauchen. Schließlich hat sich die Zahl der Kanäle, aus denen Menschen Nachrichten beziehen können, sich im digitalen Zeitalter erhöht. Social-Media-Plattformen aber auch Blogs, Foren, Videoportale oder Suchmaschinen stellen zusätzliche Quellen für Meldungen darf. Während die professionellen Berichterstatter lange ungefiltert über gesellschaftlich relevante Bereiche wie die Politik informiert haben, ist es heute ebenso möglich, sich via Twitter oder Facebook direkt bei den Kandidaten, Parteien, Gruppierungen oder anderen Organisationen über das Internet zu informieren. Zudem hat die strukturellen und finanziellen Krise des Journalismus, der heute mehr Plattformen bedienen muss, aber weniger Kapazitäten und nur bedingt erfolgreiche Erlösmodelle hat, dazu geführt, dass alternative Inforationswege genutzt werden. Zudem sind die Mediennutzer heute selbst nicht nur Konsumenten, sondern als sogenannte Prosumer auch Produzenten von Information. Dabei sind diese fast ohne Kosten einfach herstellbar. Reinbold (2017) vertritt die Auffassung, dass Falschinformationen absichtlich so produziert werden, dass sie die Logiken der sozialen Medien ausnutzen. Das Ziel besteht in einer maximalen viralen Verbreitung, wobei sich hierfür emotionale Reflexe wie die die Empörung und Reizthemen zu den Schwerpunkten Flüchtlingen, Missbrauch sowie Krieg und Frieden besonders gut eignen, um eine hohe Aufmerksamkeit zu generieren. „Fake News“ werden vor allem aus finanziellen und aus politischen Interessen heraus verbreitet. Für die Internetplattformen und sozialen Netzwerke sind häufig abgerufene Falschnachrichten ein gutes Geschäft, weil Klicks im Netz Werbeeinnahmen bedeuten und Facebook Beiträge, die viel geteilt werden, noch mehr Reichweite erzeugen. Wie leicht Falschinformation zu enttarnen ist, spielt für ihre Verbreitung nur eine Nebenrolle. Gerade absurde Lügengeschichten können im Netz Millionen erreichen. Die klassischen Medien haben längst Ihre Gate-Keeper-Funktion verlassen. Im Internet äußern sich die einstmals passiven Rezipienten inzwischen aktiv über Blogs oder soziale Netzwerke. Dabei gilt das Motto: Je reißerischer die Überschrift, je lauter das Foto, je spannender der Teaser, umso mehr Klicks.“ (Kuhla 2017, S. 41). Die Aufmerksamkeit über das Internet generiert schließlich die Werbeeinnahmen. Die Glaubwürdigkeit gerät dabei bisweilen in den Hintergrund. Der Internetblogger Sascha Lobo (2017) modifiziert das bereits erwähnte Luhmann-Zitat aufgrund der sich daraus ergebenen Konsequenzen durch das Internet wie folgt: „Was wir über die Welt wissen, wissen wir aus einem kleinen Bildschirm, der uns sozial, redaktionell und algorithmisch aufbereitete Informationen präsentiert, dabei Sensationalisiertes, Zugespitztes, Radikales tendenziell bevorzugt, was durch die Echokammern der Netzöffentlichkeit selbstverstärkend wirkt.“ Aufgrund dieser Entwicklungen im Web 2.0 hat sich also das Misstrauen speziell gegenüber der digitalen Medienberichterstattung noch erhöht.   Wie lassen sich „Fake News“ aufdecken und bekämpfen? Grundsätzlich können bereits existierende Suchmaschinen wie www.hoaxsearch.com genutzt nutzen, die sich auf Fakes im Internet spezialisiert haben, und Aufklärungsarbeit leisten. In vielen Fällen reicht aber bereits der gesunde Menschenverstand aus, um „Fake News“ zu erkennen und zu beurteilen. Die Prüfung der Seriosität von den angegebenen Quellen und die eigene Recherche des Themas stellen hierfür einen ersten konstruktiven Ansatz dar (vgl. http://www.mimikama.at/allgemein/fake-news-erkennen/). Um „Fake News“ zu erkennen, sollte bei der Prüfung von Texten darauf geachtet werden, sich auf Details zu konzentrieren. Namen von Personen oder Organisationen sollten im Internet gesucht werden. Sofern keine oder nur lückenhafte Informationen zu finden, kann dies darauf hinweisen, dass sie gar nicht existieren. Um die Glaubwürdigkeit zu steigern, verweisen Falschmeldungen auch häufig auf etablierte Medien. Sofern der Text Links enthält, sollte immer die Originalquelle gelesen werden. Wenn der Verweis ins Nichts führt oder der zitierte Text eine ganz andere inhaltliche Ausrichtung hat, ist die Seriosität der verweisenden Quelle fragwürdig. Grundsätzlich gilt, dass seriöse Webseiten ihre Herkunft nicht verschleiern. Insofern sollten dort immer ein Impressum oder Kontaktmöglichkeiten vorhanden sein, die überprüfbar sind. Eine Rückwärtssuche von Bildern z.B. über Tineye erkennt, ob ein Foto bereits woanders benutzt wurde oder ähnliche Motive im Netz aufgetaucht sind. Dort gibt der Nutzer die Bild-URL ein oder lädt das Motiv hoch. Bei vermeintlichen Live- oder Augenzeugenvideos ist eine Rückwärtssuche ebenfalls möglich. Im Bereich der Soziale Medien wird ein weißer Haken auf blauem Untergrund nach einer Authentizitätsprüfung eingesetzt. Sowohl Facebook als auch Twitter vergeben das Icon an verifizierte Accounts, um eine Abgrenzung von Fakeangeboten vornehmen zu können (vgl. o. V. 2017). Inzwischen sind eine Reihe von weiteren Initiativen in ganz unterschiedlichen Kontexten entstanden, die sich professionell mit der Erkennung und Bearbeitung von „Fake News“ beschäftigen. Journalisten haben selbst Projekte aufgenommen, in denen rechercheerfahrende Berichterstatter Medienmeldungen auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Dazu gehören u.s. die ARD-Tagesschau-Faktenfinder, die seit dem April 2017 tätig sind und ein Team des Bayrischen Rundfunks, das einen Monat später die Arbeit aufgenommen hat (vgl. Wolf/Dönch 2017). Fortlaufend aktualisierte Informationen zum Thema liefert auch die „Bundeszentrale für politische Bildung“ (vgl. bpb.de/fake-news), die auch ein Onlinegame (www.fakeittomakeit.de) zum Thema herausgebracht hat sowie die Wochenzeitung „Die Zeit“ (www.zeit.de/themen/fake-news), die auch einen sogenannten Faktomat (www.zeit.de/serie/faktomat) entwickelt hat. Unterrichtsmaterialien zu „Fake News“ sind u.a. vom

entwickelt worden. Des Weiteren arbeitet am Thema das interdisziplinär ausgerichtete Forschungsprojekt DORIAN (Desinformationen aufdecken und bekämpfen), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung seit dem August 2017 gefördert wird. Der Fachbereich der Informatik des Frauenhofer Institutes in Darmstadt erarbeitet Verfahren der Bild- und Textforensik zur automatischen Erkennung von Falschnachrichten. Die Juristen der Universität Kassel prüfen die rechtlichen Optionen des Vorgehens gegen Fake News. Psychologen der Universität Duisburg-Essen analysieren, wie Menschen Falschinformationen wahrnehmen und darauf reagieren. Journalismus-Experten von der Hochschule der Medien in Stuttgart erstellen ein Konvolut von „Fake News“ und ordnen diese Meldungen systematisch ein (vgl. Frauenhofer Institut 2017).   Fazit Vor allem die digitalen Medien bieten die Möglichkeit, Diskurse ohne großen technischen und finanziellen Aufwand zu bewerkstelligen. Prinzipiell kann sich jeder mit entsprechender Medienkompetenz an Debatten auf ganz unterschiedlichen Plattformen artikulieren. Dies ist im Grunde positiv zu bewerten. Gleichwohl hat aber auch die Fülle der destruktiven, zum Teil anonymisierten, Kommentare zugenommen. Phänomene wie Cybermobbing, Shitstorm oder auch „Fake News“ nehmen rasant zu und richten einen erheblichen Schaden an. Populistische Narrative erzeugen eine hohe Aufmerksamkeit. Sie sorgen für hohe Klickraten, die aus einer ökonomischen Perspektive der Plattformbetreiber zunächst wünschenswert sind. Gleich ist das Misstrauen in Medieninstitutionen bisweilen durchaus berechtigt. Wenn es dort Fehler oder Versäumnisse geben sollte, sollten die diese aufgezeigt und öffentlich transparent gemacht werden. Diese Institutionen sollten auf berechtigte Kritik angemessen reagieren, Fehler zugeben und Fehlentwicklungen abstellen. Nur so kann Vertrauen wiederhergestellt werden. Insgesamt erreichen provozierende Statements und absurde Behauptungen eine hohe Medienaufmerksamkeit. Hier sind auch Medien gefordert, nach der Maxime „Gründlichkeit statt Schnelligkeit“ zu arbeiten und eine fundierte Recherche zu leisten, bevor sie Nachrichten und Meldungen veröffentlichen, die nicht stichhaltig sind. Wenn Falschmeldungen publiziert werden, trägt dies zum Reputationsverlust von Medien bei. Vorurteile gegenüber der sogenannten Lügenpresse werden dadurch verstärkt und fördern auch populistische Tendenzen. Gleichwohl ist nicht alles Nicht alles, was falsch ist, ist „Fake News“. Es ist wichtig, zwischen einer extremen Zuspitzung, Verzerrung, Satire und Falschmeldungen zu differenzieren. Medien aller Gattungen machen zudem Fehler in der Berichterstattung. Wichtig ist immer eine Analyse der Motive, die dazu führen, dass „Fake News“ verbreitet werden. So stellt sich z.B. die Frage, ob mangelhafte Recherche dafür verantwortlich ist, dass unwahre Behauptungen publiziert werden oder ob eine Person oder Institution gezielt und bewusst diffamiert werden soll. Für die moralische und juristische Bewertung von „Fake News“ sind zunächst, die gesellschaftlichen Umstände und Rahmenbedingungen, unter denen die Medienanbieter agieren, zu berücksichtigen, um Handlungsspielräume und Rahmenbedingungen für eine Medienberichterstattung aufzuzeigen, die ethischen Leitlinien folgt. Gleichwohl sollten aber auch die Internetplattformen und sozialen Netzwerke wie Google oder Facebook in die Verantwortung genommen werden, wirksame Strategien gegen Falschmeldungen aller Art schon aus Eigeninteresse zu entwickeln, da auch die Reputation dieser Unternehmen leidet, wenn dort regelmäßig unwahre Meldungen verbreitet werden. Kurzfristig mag es zwar ein lukrativer Geschäftsanreiz sein, möglichst viele Klicks der Nutzer – unabhängig vom Wahrheitsgehalt – zu erreichen. Langfristig ist diese Strategie aber kontraproduktiv, da sich die Kunden von unseriösen Anbietern voraussichtlich abwenden werden (vgl. Schicha 2016a, Schicha 20916b, Schicha 2017). Literatur (Alle Links wurden zuletzt am 26.3.2018 abgerufen)

  • Becker von Sothen, Hans (2013): Bild-Legenden. Fotos machen Politik. Fälschungen-Fakes-Manipulationen. Graz: Ares.
  • Beuth Patrick (2016): Schluss mit Fakebook. URL: http://www.zeit.de/digital/internet/2016-11/facebook-zuckerberg-massnah…
  • Bickenbach, Matthias (2005): Der Fälscher als Poetologie und Medientheoretiker. Ein Entwurf im außermoralischen Sinn über Michael Borns und Tom Kummers Werkstattberichte der Fernsehwirklichkeit. In: Gerhards, Claudia / Borg, Stephan / Lambert, Bettina (Hrsg.): TV-Skandale. Konstanz: UVK, S. 329-354.
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