Ein bisschen Gott spielen - Interview mit einer angehenden Gamedesignerin

18.08.2008

Paula Hannusch ist eine 21-jährige Gamedesign-Studentin an der MD.H in Düsseldorf. Vor zwei Jahren machte sie ihr Abitur in Dresden, um dann, nach einem Jahr Auszeit, an die Rhein-Metropole zu kommen.


Paula Hannusch.

Warum studierst du Gamedesign? Was ist dein Antrieb?
Es hat viel damit zu tun, dass ich es können will, gerade den 3D Bereich will ich einfach beherrschen. Und irgendwann helfen einem die Tutorials im Netz auch nicht mehr weiter. Wenn ich so an Fluch der Karibik denke… ich würde gern mal in so einem Film sitzen und sagen können: Das was die da gemacht haben, das kann ich auch. Weil es gerade in Filmen ja häufig nicht mehr unterschieden werden kann, ob es nun Kulisse oder Animation ist.

Hallo Paula. Woher stammt deine Faszination für Spiele?
Schwierig... Ich bin ein riesen Film-Fan, gehe unglaublich mit Filmen mit (beim Fluch der Karibik will ich zum Beispiel am liebsten zum Piraten werden), tauche einfach gerne in fremde Welten ein. Und Spiele erlauben das eben. Und im Gamedesign kann man diese Welten erschaffen.

Bist du auch sonst ein „erschaffender“ Mensch?
Ich mag handwerkliche Arbeit, genieße es „irgendwas zu machen“, das am Ende was da ist, was man anfassen kann. Klar, ne virtuelle Welt nicht, aber darin kann man ja was machen. Ich baue gerne Möbel, Tische, Schränke, male gerne, besonders mit Öl. Auch das Modellieren von Plastiken, oder mit Draht Gestelle zu basteln.

Helfen dir die künstlerischen Erfahrungen im Studium?
Klar, bei Concept Arts zum Beispiel, oder bei Portraits. Auch um gewisse natürliche Proportionen einzuhalten, selbst erfundene Fabelwesen müssen ja im Endeffekt glaubwürdig sein.

Wem würdest du das Studium denn empfehlen?
Menschen, die kreativ sind. Man muss einen unglaublichen Output für dieses Studium haben. Man lernt ständig neue Programme und muss für jedes eine neue Idee entwickeln, was man denn dann damit macht. Man muss Computerspielinteressiert sein. Design ist natürlich auch ein großer Teil des Studiums. Aber auch Programmierern, denn wo kriegt man schon mal die Möglichkeit mit der Cry-Engine zu arbeiten? Ein Riesen Vorteil ist ja auch, dass man mit Leuten zusammen ist, die alle das gleiche wollen. Wenn man dann eben kein so guter Programmierer ist, findet man sofort Leute die an dem Projekt mitarbeiten und eben diesen Part übernehmen. Der Weg ist aber auch äußerst beschwerlich. Das Studium kostet unglaublich viel Geld, man geht eine Riesen Verpflichtung für sich selbst ein, hat kaum noch Freizeit, weil man ständig was für die Uni macht und vielleicht noch private Projekte am laufen hat.

Wie glaubst du, wird die Branche auf dich als Gamedesign Absolventin reagieren?
Gerade auf dich als junge Frau? Ich persönlich denke nicht, dass es so was Besonderes ist, dass sich eine Frau bei einer Spielefirma bewirbt. Es gibt zum Beispiel so viele Spiele in deren Credits Bilder der Entwickler sind, und da ist immer eine Frau dabei. Natürlich ist so was wie Jade Raymond die eine leitende Position einnimmt und auch noch unglaublich attraktiv ist, für die Medien was ganz Besonderes, weswegen sie auch so oft interviewt wird. Ich denke aber dass es auch mehr in die Richtung gehen wird, auch in Zukunft.

Kamst du dir in der Vergangenheit nicht komisch vor mit dem Gaming?
So als Mädchen? Ehrlich gesagt, manchmal schon. Auf dem Schulhof unterhielten sich die Jungs über Computerspiele und ich mischte mich in die Gespräche mit ein (während ich in der Mädchengruppe stand), da merkte man schon, dass es den Mädchen irgendwie suspekt war, dass ich mich damit auskannte und es mochte. Den Jungs war es egal, die fanden das cool. Aber die Mädchen waren eben irritiert.

Wie sah deine Clique aus? Hattest du nur Mädchen um dich herum?
Jein. Ich bleib ja Mädchen, auch wenn ich Spiele mag. Das Problem war halt, dass ich nie mit Freundinnen über so was reden konnte. Seinen Freunden würde man natürlich gerne sein Hobby näherbringen, aber es ist schwierig, Mädchen die das nicht ernst nehmen, beizubringen. Wollte ich denen das näher bringen konnte ich sie für zehn Minuten mit Eye-Toy unterhalten, aber sollte es tiefer gehen, hörte das Verständnis auch auf. Ich konnte ihnen nicht vermitteln, dass es auch Spiele gibt die interessant sind, die aber tiefer gehen, mehr von einem erfordern, und auch mehr Einsatz.

Wie stehst du zu Casual-Games?
Ich find sie toll! Okay, Gothic fesselt länger, aber nebenher spiel ich sowas unglaublich gern. Das ist dann immer der Punkt an dem die Kerle sagen: „Warum machst du das? Warum spielst du zum 100ten mal Solitär? Da hört es eben für die Jungs auf. Es ist eben nur ein Spiel, kein Ernst. Interessant, dass man dann von beiden Seiten belächelt wird.

Mit welchem Spiel hast du dich denn am intensivsten beschäftigt?
Monkey Island. Ich hab es unzählige Male durchgespielt. Teil eins, zwei, drei und vier. Auch Mafia hab ich häufig durchgespielt. Aber Monkey Island war eben das erste Spiel das ich je spielte, und es hat mich hellauf begeistert, da hat sich eine Welt für mich erschlossen. Allein schon diese Drehscheibe (Anm.: Passwortscheibe), dass man als Kind da so vor saß und was in die Hand kriegte und schon vor dem Spiel damit was machen musste, der Computer einem Anweisungen gab und da dann so lustige Grimassen bei rüberkamen – ganz toll. Ich muss mir die Scheiben unbedingt einrahmen und an die Wand hängen.

Welches Spiel hatte den meisten Einfluss auf deine Arbeit?
Eben das „eintauchen in die Welt“, die Immersion. Meine Lieblingsspiele sind solche in denen ich mich frei bewegen kann, in denen ich keine Levels hab die mir vorgeben wo ich sein muss. Mafia, GTA, Gothic, oder eben Monkey Island. Man kann selbst die Welt erkunden. Die Möglichkeit mich in eine Welt hineinzuversetzen bietet sich mir erst dann, wenn ich sie frei betreten kann – und dann kann ich mich auch hineindenken. Deshalb mag ich Super Mario 64 auch deutlich lieber als die Vorgänger. Zu entdecken, immer die Illusion zu haben: „da ist noch was, was ich noch nicht gefunden hab, da gibt es noch was zu erforschen“. In Level basierten Spielen kann man bestenfalls mal ne Kiste hinter einer Säule finden, das war es dann auch schon. Aber in Zelda kann man ja vielleicht irgendeinen geheimen Raum entdecken. Der Entdeckerdrang wie bei Star Trek: was noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

GTA, Gothic, Star Trek – klingt ja nicht sehr mädchenhaft. Man kann sich leicht vorstellen, dass andere Mädchen damit Probleme hatten. Führten solche Erfahrungen vielleicht erst recht zu einer Abneigung gegen „Mädchenhaftes“?
Also meine Mutter war sehr glücklich darüber, dass ich nicht typisch feminin war, und hat diese Punkte dann auch gezielt gefördert. Und ich hab ja auch meine Phase gehabt. Also, im Nachhinein bezeichne ich es als Phase, keine Ahnung ob das jetzt beleidigend ist. Im Alter von zwölf bis fünfzehn trug ich weiße und pastellfarbene Klamotten, ich schminkte mich viel, das war mir auch wichtig, bin in Discos gegangen, hab mich um Jungs gekümmert, und hab in der Zeit kaum was mit Spielen zu tun gehabt. Als ich Kind war, hatte ja jeder einen Gameboy, und auch die Person, bei der ich immer S-Nes gespielt hab, war ein Mädchen (das ich eigentlich gar nicht mochte, aber die hatte halt einen S-Nes!) und als ich dann aufs Gymnasium kam, hörte das völlig auf, da war man dann mit der Pubertät beschäftigt. Und wenn man dann keine Brüder hat oder Freunde die einen da ran führen, dann bleibt man in der Welt auch ein wenig außen vor. Ich hatte zwar immer noch meinen Gameboy und hab auch weiter Monkey-Island gespielt, aber es kam nichts Neues hinzu, wodurch ich auch nicht so eine Begeisterung entwickeln konnte.

Was hat sich dann verändert?
Einerseits wollte ich zwar dazugehören, aber ich fühlte mich mit den Mädels irgendwie unwohl. Ich weiß gar nicht mehr genau warum, irgendwas stimmte da nicht. Auch wenn ich mir die größte Mühe gab, passte es nicht 100%ig. Ich hatte ja auch Freundinnen, das war ja auch okay, aber eben nicht das Wahre. Und dann kam mit 14 mein damaliger Freund und er hatte halt diese blöde Playstation. Und da hab ich dann die Möglichkeit gehabt, die ganzen Spiele mal auszuprobieren und hatte jemanden, der mir das alles erklärte. Das waren dann auch die ersten Berührungen mit GTA2, Tony Hawks und Final Fantasy. Letzteres hab lustigerweise ich ihm geschenkt, und wusste selbst gar nichts über die Reihe, wusste aber dass es ihm gefallen würde. Letztlich hab ich es dann mehr gespielt als er. Und so ging es dann auch weiter, ich quetschte die Jungs in meiner Schule aus was die denn so spielen, was es da so gibt und tauchte immer weiter in die Spielewelt ein. Und da begann ich dann auch Computer auseinander zu nehmen. Technik hat mich ja auch schon immer fasziniert. Als ich mir dann den Gameboy aussuchen durfte, musste ich meiner Mutter eine dreiviertel Stunde erklären, dass ich unbedingt den Durchsichtigen wollte, auch wenn ich dann nur ein Spiel und nicht wie bei allen anderen zwei dazu bekam. Ich fand das total interessant, ich musste unbedingt wissen wie das funktioniert. Im Endeffekt hab ich dann auch nichts daraus gelernt, meine Vorstellungskraft ging halt nur bis zur Mechanik, aber es hat mich trotzdem begeistert, diese ganzen Platinen zu sehen. Ich glaube ursprünglich stellte ich mir das Ding ja vor wie eine Uhr, mit den ganzen Rädchen. Mädchen waren für Spiele zu „erwachsen“ geworden. All die Mädels hatten ja auch Gameboys als sie kleiner waren, und dann aber da raus wuchsen. Und so stand ich dann mit 14 auch mal sehnsüchtig vor einem Games-Workshop, schaute mir die Figuren an und dachte: Naja, dafür bist du wohl zu alt. Man kann diesen Unterschied zwischen Jungs und Mädchen beim Spielen ja nicht wegdenken. Es gibt ja Gründe warum hauptsächlich Jungs spielen, nicht einfach nur weil es mit Technik zu tun hat und damit Mädchen generell suspekt ist. Ich denke, dass es noch was anderes ist, auch nicht unbedingt Spielinhalte, es muss irgendwas sein, was direkt mit dem Spiel an sich zu tun hat. Irgendwer hat mal gesagt, dass immer die Männer mit den Kindern spielen, und Frauen recht unmotiviert daneben sitzen. Es muss einen evolutionären Grund dafür geben, warum Frauen mit dem Alter so unglaublich gewissenhaft werden, dass sie das Spielen verlernen. Also das Spielen ohne Zweck, einfach nur zum Spaß. Männer spielen ja immer Fußball. Man kann einem 60-jährigen einen Ball hinwerfen und er wird anfangen damit herumzuspielen. Den Effekt gibt es bei Frauen nicht, oder zumindest kenne ich keinen. Auch beim Gesellschaftsspiel geht es Frauen mehr um die Gesellschaft, Männern um das Spiel.

Und? Warum spielst du?
Kann man gar nicht so genau sagen. Es ist nichts Spezifisches wie: „Warum fährst du gerne Auto“ – „Beschleunigung macht Spaß“, denn Computerspiele sind ja so unterschiedlich, jedes ist anders. Viele Adventure spiele ich wegen der geistigen Herausforderung, andere wegen der Gags. Monkey Island beispielsweise: Mit dem Gummihuhn mit Karabinerhaken über das Drahtseil. Man läuft da stundenlang drum herum, probiert alles aus und denkt sich am Ende: „Da kann man gar nicht drauf kommen!“ (lacht). Manches spiele ich auch der Geschichte wegen (Tortuga zum Beispiel). Bioshock ist auch so eines, die Geschichte ist toll, es ist ein großartig gemachtes Spiel, aber es macht mir echt Angst. Aber bei dem ist es nicht nur die Geschichte, es ist einfach so super gemacht, und hat viele so tolle Ideen. Oder halt so sein zu können, wie es in der Realität nicht möglich ist. Bei WoW als Rattenscharfe Blutelfe mit Leerwandler. Und bei Burnout ist es zum Beispiel dieser Geschwindigkeitsrausch. Wenn ich Auto fahren könnte, wäre ich viel zu feige in der Realität so aufs Gas zu gehen. Nicht einmal auf einem Parkplatz würde ich mich trauen per Handbremse zu driften oder so was, aber bei Burnout, dieses ‚den Horizont absuchen nach irgendwas, dass einem entgegenkommt oder ne Mauer sein könnte’, großartig. Mein Fahrlehrer meinte übrigens auch, dass ich einen Tunnelblick hab. Keine Ahnung ob das daher kommt. Aber ich bin schon der Meinung, dass man anhand realistischer Rennspiele einiges übers Auto fahren lernen kann. Die Fahrphysik wird ja auch immer besser. Ich persönlich hatte in der Familie kaum jemanden, der Auto gefahren ist. Eine wirkliche Idee davon, wie sich ein Auto verhält, hab ich erst vom Spielen bekommen.

Du glaubst also dass Spiele einen auf das Leben vorbereiten können?
Mit Sicherheit! Alleine schon Aufgaben zu bekommen, sie teilweise anfänglich nicht meistern zu können, dann aber zu lernen, seine Strategie anzupassen und es besser zu machen. Oder persönliche Fähigkeiten zu trainieren und nicht einfach gleich aufzugeben. Das kann natürlich auch negative Auswirkungen haben, denn im Spiel ist es meistens leichter Erfolge zu haben. Wenn ich jetzt an Medieval denke, mit den Bündnissen usw.: Im Geschichtsunterricht waren Bündnisse recht öde, aber in Medieval verdammt cool, man kriegt auch den Sinn davon direkt mit. Und so blöd es klingt, ich kann mir auch vorstellen, dass Leute, die irgendwelche Weltkriegsspiele spielen, da auch was behalten, weil sie gut gemacht sind. Es kann aber auch Interesse wecken. Wenn man sich Assassins Creed anguckt, ich kann mir schon vorstellen, dass es einige Leute dazu bringt, sich näher über die Zeit zu informieren.

Was willst du mit Spielen erreichen?
Was mich am meisten reizt ist wie gesagt das Erschaffen von Welten. Ein bißchen Gott spielen.

Du willst Spiele machen, um Gott zu spielen?
Wo kann man denn sonst noch eine Welt erschaffen? Im Film ist es immer nur ein Ausschnitt, aber in einem Spiel kann sie wirklich begehbar sein, von realen Menschen besucht werden, die eine Rolle in dieser Gesellschaft einnehmen. Das beste Beispiel ist WoW, das eine eigene Kultur hat. Wenn ein WoWler über das Spiel fachsimpelt, versteht das ein Außenstehender nicht. Wie oft regt sich jemand über die aktuellen Auktionshauspreise auf? Wo hat man das denn sonst, dass es praktisch eine eigene Wirtschaft gibt, nur wegen der Idee einer Welt. Das ist doch das Schönste an Spielen. Auch lernt man was über Autoritäten. In Gilden zum Beispiel muss man sich immer jemandem unterordnen, auch wenn man anderer Meinung ist. Jemand "der sich nur egoistisch" verhält kommt einfach nicht weit, weil es im Spiel zwingend notwendig ist gemeinsam zu spielen.

Und am Ende ein Blick in die Kristallkugel: Wie viel können Spiele erreichen?
Ich glaube, das ist nicht abzusehen. Da gab es mal die schöne Folge bei Futurama. Und zwar war ja Star Trek immer eine Idee der Zukunft und natürlich ein riesiger Kult. Aber als dann die Zukunft plötzlich da war, war es ja keine Zukunftsvision mehr, und begann so sich zu einer Religion zu entwickeln – und wurde dann so groß, dass es sogar verboten wurde. Ich denke wirklich, dass so etwas nicht absehbar ist. Allein wenn man jetzt Second Life betrachtet, dass Leute mit ihrem zweiten Leben ihren Lebensunterhalt für das erste Leben verdienen können, indem sie Kleidung, Fahrzeuge oder Waffen für das Spiel herstellen. Oder virtuelle Grundstücke vermieten. Wenn das jetzt schon so ist, kann man wirklich nicht sagen, was da noch kommen wird.