Nachhaltige Strategien im Modedesign

23.02.2015

Nachhaltigkeit in der Mode ist aktuell ein viel diskutiertes Thema, der Modekonsum ist umstritten. Wer als Designer nachhaltig, verantwortungsvoll und innovativ gestalten möchte, muss sich mit nachhaltigen Designstrategien auseinander setzen.

Immer stärker steht das Konsumverhalten im Bereich Mode und Textil in der Öffentlichkeit. Zuletzt in der ARD-Dokumentation zu Primark, in der die gesamte Wertschöpfungskette und der Gebrauch der Textilien kritisch hinterfragt wurden. Längst ist klar, dass gerade in der textilen Produktion andere Konzepte erforderlich sind, um einen nachhaltigen Umgang mit Kleidung zu erreichen.


Prof. Nicole Süß

Am Anfang der textilen Wertschöpfungskette steht eines der stärksten Glieder, um der gesamten Branche eine neue und innovative Richtung zu geben – die Designer! So formuliert die Allianz Deutscher Designer (AGD) zu Recht in ihrer Charta für nachhaltiges Design: „Design verbraucht Ressourcen – manchmal mehr, manchmal weniger. Dem nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, mit der Umwelt und mit den Menschen, die noch über Generationen in dieser Welt leben können sollen, muss Design gerecht werden.“

Es gibt sie also schon länger, die Vordenker und Idealisten unter den Designern, die die Zeichen der Zeit erkannt haben. Dies zeigte sich auch bei der Konferenz von FEMNET zum Thema „Slow Fashion – Fast Fashion“, wo verschiedene nachhaltige Designstrategien vorgestellt und kontrovers diskutiert wurden.

Wo liegt nun die Herausforderung für uns Designer, die sich aus den nachhaltigen Konzepten und gesellschaftlichen Erfordernissen ergeben? Der gravierendste Unterschied zur konventionellen Kollektionsentwicklung liegt darin, bereits weit vor dem eigentlichen Designprozess mit der nachhaltigen Strategie zu beginnen. Der Designer muss sich vorab Fragen zu nachhaltigen Ressourcen, Materialquellen und Kreislaufsystemen stellen und nicht erst während oder nach dem Designprozess. Dafür sind Designstrategien nötig, die aus der Problematik der Einschränkung bei den nutzbaren Rohstoffen eine Tugend machen, indem sie dies als erste Herausforderung für ihre Kollektionsentwicklung ansehen.

Auch hierzu ist schon umfangreich entwickelt und vorgedacht worden. Es gibt bereits erfolgreiche Designer und Konzepte, die eine nachhaltige Strategie realisiert haben, auch wenn in diesem Feld noch viel Arbeit und weitere Ideen von Nöten sind. Nachfolgend werden einige nachhaltige Strategien aus dem Textilbereich aufgelistet, die zeigen, dass ein Anfang gemacht ist und nachhaltiger Konsum sowie eine nachhaltige Wertschöpfung keine Visionen mehr sind. Gerade Studierende sollen dadurch ermutigt werden schon in ihren universitären Projekten nachhaltige Strategien aufzunehmen und weiter zu entwickeln.

• Einsatz nachhaltiger Materialien
Es gibt bereits eine Bandbreite an ökologischen, zertifizierten Materialien von verschiedenen Herstellern, die Bio-Baumwolle, Bio-Wolle, Hanf, Bio-Seide, Wildseide, Peace-Silk, Soja, Bambus, Lyocell/Tencel, Fasern auf Algenbasis (SeaCell™) sowie Milchfasern (QMILK®) anbieten. Und da die Nachfrage weiter ansteigt, können wir in den nächsten Jahren mit einer noch größeren Auswahl an nachhaltigen Materialien rechnen.

• Recycling/Upcycling
Im Bereich Re- und Upcyling haben sich über viele Jahre nachhaltige Konzepte in der Textilindustrie etabliert. Vorreiter war hier eindeutig die Outdoorindustrie. So hatte Patagonia bereits 1980 erste Synchilla (Polyester) Fleecepullis aus recycelten PET-Flaschen hergestellt. Dies ist ein Paradebeispiel dafür, dass sich innovative Ideen durchsetzen, denn heute bieten die meisten Hersteller wie Fjällraven, VAUDE oder Mammut ähnliche Produkte an. Haglöfs strebt für 2015 sogar einen Recyclinganteil bei Bekleidung, Schuhen und Rucksäcken von 40-50% an. Ein weiteres innovatives Beispiel ist die Firma Salmo Leather. Das süddeutsche Unternehmen hat es geschafft aus einem Abfallprodukt der Fischindustrie – nämlich den Häuten der Lachse – Lachsleder zu entwickeln. Dieses wird mittlerweile im Highfashion Bereich zu Schuhen, Taschen und Bekleidung verarbeitet.


Abb. 1: Lachsleder Nanai
© Salmo Leather

Auch die Accessoire-Designer haben sich intensiv dem Thema Recycling/Upcycling angenommen. Wer kennt sie nicht, die Taschen aus ausrangierten LKW-Planen von FREITAG. Ursprünglich von den Brüdern Freitag Anfang der 90er Jahre in der Schweiz entworfen und produziert, gibt es mittlerweile unzählige Nachahmer und Weiterentwickler. Auch Zirkeltraining hat mit seiner Accessoire-Kollektion, gefertigt aus ausrangierten Turnmatten und Sportgeräte-Leder, den Nerv der Zeit getroffen – und upgecycelt!

• Zero Waste
Die Intension der Zero-Waste-Designer zielt darauf, bei der Produktion der Kollektion keine Abfälle entstehen zu lassen. Dies wurde erst durch eine komplett neu entwickelte Schnittkonstruktion und -optimierung möglich. Vorreiter HessNatur wird im Frühjahr 2015 seine erste „Zero-Waste-Capsule-Kollektion“ vorstellen.


Abb. 2: HessNatur, Zero Waste Capsule Collection
© Hess Natur

Eine weitere Zero-Waste-Methode gibt es bei Strickartikeln, die sich dem alt hergebrachten und hochwertigen „fully fashioned“-Prinzip bedient. Dabei werden Strickwaren (z.B. Strümpfe oder Pullover) von vornherein auf Maß und Form gestrickt und somit jeglicher Abfall vermieden. Das Konzept bietet darüber hinaus sogar ökonomische Vorteile, da die Produktionskosten sinken.

• Technische Innovationen
3D-Printing ist mittlerweile in aller Munde. Als Pionierin des 3D-Drucks in der Mode gilt die niederländische Designerin Iris van Herpen. Sie schlug 2011 mit ihren atemberaubenden Kleidern die Brücke zwischen Technik und Mode und verfolgt diese Entwicklung seither konsequent weiter. Im Jahr darauf folgten bereits Van Herpens Schuhmodelle aus dem 3D-Drucker, die sie im Zuge der Herpen’s Couture Show „Wilderness Embodied” auf der Paris Fashion Week zeigte. Auch Sportartikelhersteller wie Nike und Adidas nutzen diese neue Technik und entwickeln damit diverse Sportschuhserien.


Abb. 3, Iris van Herpen, 3D-Dress
© Iris van Herpen

• Cradle to Cradle – C2C
Cradle to Cradle (C2C) lautet wörtlich übersetzt „von der Wiege zur Wiege“. Auf die Wertschöpfungskette bezogen bedeutet dies, dass es nur noch Materialkreisläufe und keinen Abfall mehr gibt. Das C2C-Design-Konzept sieht dementsprechend vor, dass die abgetragenen Kleidungsstücke am Ende durch Kompostierung wieder zu Nährstoffen werden – der Kreislauf ist damit geschlossen.  Trigema war eines der ersten Textilunternehmen, das C2C T-Shirts auf den Markt gebracht hat. Kurz darauf folgte bei Trigema schon die erste voll kompostierbare „Change“-Kollektion.

Auch Puma hat sich dem C2C-Konzept verschrieben und zeigte im April 2013 seine erste C2C-Kollektion „InCycle“.


Abb. 4: Puma, InCycle-Kollektion
© Puma