Nachhaltigkeit mit Stil

07.08.2017


Ein eigener Stil ist die nachhaltigste Art, sich dem Thema Mode zu nähern.

Nachhaltigkeit mit Stil

Wieder einmal ist im Anschluss an die Modemessen in Berlin und Düsseldorf viel in der deutschen Presse zum Thema Mode berichtet worden. In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder das Thema Nachhaltigkeit in der Mode diskutiert. Dabei werden von Branchenvertretern eine Vielzahl von Lösungen entlang der textilen Wertschöpfungskette präsentiert. Grundsätzlich besteht nämlich für alle Hersteller die Möglichkeit, ihr Geschäftsmodell nachhaltig zu gestalten und nachhaltig Bekleidung zu produzieren. Allerdings haben bis auf ein paar Ausnahmen die meisten Hersteller noch keinen Weg gefunden, dem Endverbraucher den Wert nachhaltiger Bekleidung in der Form zu kommunizieren, dass er bereit wäre, für nachhaltig konzipierte und produzierte Bekleidung mehr Geld auszugeben, als für sogenannte Billig- oder Wegwerfbekleidung.

Es scheint, als würde zukünftig die größte Herausforderung für Hersteller von Bekleidung darin bestehen, die Einstellung der Verbraucher zum Thema Bekleidung und damit auch zum Thema Mode dahingehend zu ändern, dass sie bereit sind, für weniger Teile mehr Geld auszugeben. Ein Teil der Branche hat dies bereits aufgegriffen – Slow Fashion, Fair Fashion und teilweise leider auch nur Greenwashing sollen den Verbraucher zu einem anderen Konsumverhalten bewegen. Das wäre an sich auch gar nicht so schwierig, wenn es dem Verbraucher beim Kauf von Bekleidung lediglich um den technisch-funktionellen Nutzen der Bekleidung gehen würde und er tatsächlich nur an der Deckung seines Bedarfes interessiert wäre. Dann wäre aus auch wenig problematisch, Bekleidung nachhaltig zu produzieren und zu konsumieren.

Doch gerade beim Konsum von Bekleidung geht es dem Endverbraucher um mehr als reinen technisch-funktionellen Nutzen. Auch ist die Frage des tatsächlichen Bedarfes noch unerforscht. Außerdem spielt das Thema Mode beim Ge- & Verbrauch von Bekleidung eine entscheidende Rolle.

Motive für den Konsum von Bekleidung

Die Modemacher von morgen müssen sich daher die Frage stellen, welche Motive für den Konsum von Bekleidung ihre Kunden oder ihre avisierten Kunden haben und haben sollen. Welche Motivation soll denn der Kunde haben, „nachhaltige“ Bekleidung zu kaufen?

Sozialsymbolischer Konsum und Mode

Der postmoderne Konsument konsumiert heute unter anderem vor allem sozialsymbolisch, d.h. er „kommuniziert“ durch die Wahl seiner Bekleidung innerhalb seines sozialen Umfeldes. So besteht die Aufgabe der Bekleidungshersteller (und auch der Händler, je nach Grad der Vertikalisierung) heute nicht nur darin, Bekleidung zu produzieren und zu verteilen, sondern vor allem darin, ihre Produkte für eine bestimmte soziale Gruppe so „aufzuladen“, dass diese Gruppe den Produkten einen höheren sozialen Nutzen oder Geltungsnutzen zuweist.

Die Kosten, die durch die Aufladung in dieser Art entstehen, werden im wahrsten Sinne des Wortes dann von den Konsumenten getragen. Dabei kann die Aufladung unterschiedlicher Natur sein – so kann man Marken mit eigenen Identitäten aufbauen, deren Image sich dann in den Köpfen der Verbraucher in der Art festigt, dass sie glauben, durch das Tragen eines Produktes einer bestimmten Marke, auch einen Teil der Markenpersönlichkeit zu einem Teil ihrer eigenen Persönlichkeit machen zu können. Der Konsum bestimmter Marken wird genutzt, um das Selbstbild zu vervollkommnen. Dafür ist der Kunde von Marken-, Luxus- & Lifestyleprodukten bereit, sein Geld zu investieren. Sein Return on Investment besteht darin, dass ihm das Tragen der Produkte seine Identität stiftet oder sein Selbstbild unterstützt und er dadurch ein gutes Gefühl hat. So bekommt durch die Aufladung der Endverbraucher noch einen Zusatznutzen (in diesem Fall einen sozialen Nutzen oder Geltungsnutzen), der über den technisch-funktionellen Nutzen des Produktes hinausgeht. Dies spielt sich, wenn es aus Sicht der Markenführung richtig gemacht wird, allerdings außerhalb von Moden und Trends ab.

Eine andere Form der Aufladung kann darin bestehen, dass dem Endverbraucher das Gefühl gegeben wird, dass er um in seinem sozialen Umfeld Akzeptanz zu finden und sich einer gewissen Beliebtheit zu erfreuen, sich immer nach den neuesten (oft durch die sogenannte Modebranche selbst initiierten) Trends kleiden muss. Dabei wird die Dynamik von In & Out von den Fast-Fashion-Anbietern durch ständig wechselnde Sortimente extrem beschleunigt. Der Endverbraucher investiert hier weniger in das einzelne Teil, dafür kauft er in einer höheren Frequenz ein und auch in größeren Mengen, um immer „trendgerecht“ gekleidet zu sein. Hier wird der Modebegriff durch einige Branchenvertreter dahingehend instrumentalisiert, dass dem Endverbraucher vermittelt wird, dass es besonders modisch sei, sich immer trendgerecht zu kleiden.

Ästhetische Qualität und Mode

Aber was bedeutet dann Mode für den postmodernen Konsumenten? Wie steht es dann um den Erbauungsnutzen des Produktes Bekleidung? Welche Rolle spielt dann noch die ästhetische Qualität der Bekleidung? Wenn der Verbraucher ein Teil ästhetisch findet, kann ihm dann nicht egal sein, ob es „Mode“ ist, oder nicht? Aber stellt sich der Konsument überhaupt die Frage nach der ästhetischen Qualität? Es scheint als ständen Gestaltung und Design bei einem modischen Produkt derzeit nicht im Vordergrund – der postmoderne Konsument stellt scheinbar den Geltungsnutzen in den Vordergrund seiner Konsumentscheidung, wobei dies natürlich eine Frage des individuellen Geschmacks bleibt. Doch wie steht es um den individuellen Geschmack, um das eigene ästhetische Empfinden in einem oft virtuellen sozialen Umfeld, in dem die Anzahl der Likes über den persönlichen Geschmack richtet? Ist Mode in sozialen Netzwerken mehr denn je eine demokratische Entscheidung? Gefällt uns das, was der Mehrheit gefällt? Konsumieren wir ausschließlich, um anderen zu gefallen? Gefallen wir uns nur selbst, wenn wir die Bestätigung der Anderen bekommen?

Differenzierung durch individuellen Stil

Es wäre wünschenswert, wenn die Modebranche Wege finden würde, dem Konsumenten sein Selbstbewusstsein in Bezug auf die Bewertung ästhetischer Qualität zurückzugeben – damit es wieder modern wird, einen eigenen, individuellen Stil zu kultivieren. Ein eigener Stil macht immun gegen die Bewertung durch Andere und gegen die ständig wechselnden Trends. Ein eigener Stil ist immer authentisch und muss keine Authentizität suggerieren. Wer seinen eigenen Stil gefunden hat, investiert ebenso in die Darstellung seiner Persönlichkeit, auch durch Bekleidung – aber auf eine nachhaltige Art und Weise. Dieser Konsument ist auch bereit, mehr Geld in ein einzelnes Kleidungsstück zu investieren, da er es auch länger tragen kann, wenn es seine Persönlichkeit unterstreicht. Ein Konsument, der einen eigenen Stil prägt oder trägt, trägt aus Überzeugung nur Bekleidung von Designern oder aus Kollektionen, die ebenfalls einen eigenen Stil haben oder prägen. Wenn hingegen Kollektionsausrichtungen ständig wechseln und bei der Kollektionsentwicklung keine Aussage, kein unverkennbarer Stil gepflegt wird, dann werden die Marken und Labels für den Endverbraucher austauschbar. Es muss von Seiten der Anbieter und Hersteller wieder verstärkt eine Differenzierung unter ästhetischen Gesichtspunkten stattfinden, damit der Endverbraucher seine Kaufentscheidung eben nicht anhand des Labels, sondern aufgrund seiner individuellen ästhetischen Bewertung treffen kann.

Mehr Stilbewusstsein, sowohl bei den Herstellern als auch bei den Konsumenten, führt dann zwangsläufig zu nachhaltigerem Konsum.

Britta Wiemer