Zu Besuch beim »Steve Jobs der Renaissance«

15.06.2016

Die diesjährige Studienfahrt des Fachbereichs Mediadesign München hatte ein wahrlich exquisites Ziel – die Lagunenmetropole Venedig. Die Stadt der malerischen Brücken und Palazzi, die sich im grün-blauen Wasser spiegeln, lockte uns mit einer epochalen Ausstellung über einen Buchdrucker der Renaissance.

Der gelehrte Aldus

Jener Buchdrucker, der damals schon 40-jährige humanistisch Gelehrte Aldus Manutius (eigentlich Teobaldo Manucci) lässt sich 1489 in der Lagunenstadt nieder. Der Buchdruck, die Ideale menschlicher Bildung und die Regeln der Typografie fanden in dem wohlhabenden, bürgerlichen Umfeld der Handelsmetropole günstigen Nährboden.

Der spätberufene Manutius avanciert hier in den folgenden Jahren zum äußerst innovativen Vordenker in intellektueller wie in technischer Hinsicht – gewissermaßen zum »Steve Jobs der Renaissance«. Viele seiner Bücher erschienen als mehrsprachige Ausgaben in Griechisch und Latein, vor allem Klassiker antiker Autoren. Mit enormem Aufwand fertigte Manutius das dafür notwendige Sortiment – wie damals üblich auf unterschiedliche Zeichenbreiten – an diakritischen Zeichen. So trug er wesentlich zur Verbesserung der Grammatik bei.

Der Traum des Poliphilius aus dem Jahre 1499 (»Hypnerotomachia Poliphili«) gilt zurecht als eines der schönsten Bücher der Renaissance. Mutig ausgezeichnete Satzbehandlung und künstlerische Holzschnitte machen dieses Buch zum typografischen Kleinod. Griffo da Bologna hat die Poliphilius Type erstellt, die sich allen vorangegangen Antiqua-Typen deutlich überlegen zeigte.

Eine Garagenfirma am Lido

Manutius wollte erschwingliche Bücher für jeden Bürger. 1501 erscheint das erste Buch im kleinen Oktav-Format, eine Ausgabe von Vergils »Äneas« – für die damalige Zeit eine Sensation. Die hier verwendete, weil platzsparende Schrift Italica stammt wiederum von Francesco Gríffo da Bologna. Bis zu 30 Ausgaben erschienen bis zu seinem Tod im Jahr 1515 in dem Format »Taschenbuch avant la lettre«.

Er erstellte unterschiedliche Ausgaben ein und desselben Buches, abgestimmt auf den Geldbeutel der Kunden. Marcus Valerius Martialis’ »Epigram« erschien in einer Prachtausgabe mit kunstvollen Illustrationen von Benedetto Bordon, in einer regulären nur mit Initialen an Kapitelanfängen und in der schlichten Variante mit blankem Text. Ein anderes Buch druckte er auf blauem Papier, um den Preis zu heben.

Sein Signet, ein Anker umschlungen von einem Delphin , bedeutet soviel wie »Eile mit Weile«, es verbindet Standhaftigkeit mit Beweglichkeit.

Der Besuch der Ausstellung »Aldo Manuzio. Il Rinascimento di Venezia« hat uns beeindruckt und gezeigt, wie facettenreich die Geschichte der Schrift, des Buchdruckes und der menschlichen Kultur ist. Wir freuen uns sehr, dass uns diese Studienfahrt ermöglicht wurde. Die Inspiration wird noch lange nachwirken.

Fotos Jakob Kreitner, Sybille Schmitz

Sybille Schmitz führt das unabhängige Blogprojekt Stehsatz. Interessierte finden regelmässig spannende Beiträge zu Typografie und visueller Kommunikation.